Februar 2022: Ein Bruthaufen für Ringelnattern im Wiesental

Nach getaner Arbeit: Reinhold Grözinger, Wolf Hecker und Joachim Sommer (von links)  Foto: NABU/U. Schober
Nach getaner Arbeit: Reinhold Grözinger, Wolf Hecker und Joachim Sommer (von links) Foto: NABU/U. Schober

Ein etwas merkwürdiger Haufen "ziert" seit einigen Tagen die NABU-Wiese im Horrheimer Wiesental. Haben die NABU-Aktiven da einfach ihr Grüngut abgeladen? Mit dieser Vermutung liegt man tatsächlich nahe an der Wahrheit – fast jedenfalls. Aber fangen wir doch einfach von vorne an. Woraus und wozu ist der Haufen wirklich?

 

Wir alle wissen, dass befruchtete Eier von Wirbeltieren in der Regel durch Wärme ausgebrütet werden müssen, soll aus ihnen einmal Tiernachwuchs schlüpfen (die Ausnahme bilden Ampibien und Fische). Die Vögel kümmern sich selbst darum und sitzen wochenlang auf ihrem Gelege, bis es soweit ist. Die meisten Reptilien lassen ihre Eier nach der Ablage von der gewählten Umgebung ausbrüten: Krokodile verbuddeln sie am Ufer tropischer Flüsse und Seen, Meeresschildkröten vergraben ihre Gelege in mühsamen nächtlichen Aktionen im Sandstrand weit oberhalb der Wasserlinie. In beiden Fällen soll das jeweilige Substrat die Eier über mehrere Wochen warmhalten und die Entwicklung der Nachkommen ermöglichen. Es gibt übrigens auch Vögel, die ebenfalls diese Strategie wählen: Großfußhühner wie das berühmte Thermometerhuhn brüten ihre Eier nicht selbst aus, sondern bauen z. B. Bruthügel. Andere Arten der Großfußhühner nutzen Geothermie oder leben in unmittelbarer Nähe aktiver Vulkane und überlassen diesen das Brüten, indem sie ihre Gelege in frisch ausgeworfener, heißer Lavaasche vergraben. Dabei sind sie in der Lage, Stellen auszusuchen, die warm sind, aber nicht so heiß, dass die Eier gekocht würden.

 

Unsere einheimischen Reptilien sind viel kleiner und harmloser als Krokodile, und sie müssen in kühlerem Klima zurechtkommen. Dabei zeigen sie je nach Art (manchmal sogar innerhalb einer Art je nach Lebensraum) ein recht breites Repertoire an Fortpflanzungsverhalten. So kann sich etwa die bei uns schon sehr seltene Kreuzotter im Norden bis über den Polarkreis hinaus dadurch behaupten, dass sie lebende, fertig entwickelte Junge zur Welt bringt – Eier könnten im kalten und extrem kurzen Polarsommer nicht schnell genug reifen, daher werden sie im Mutterleib ausgebrütet. Auch Blindschleichen, Schlingnattern und die einheimischen Waldeidechsen bringen in Mittel- und Nordeuropa lebende Junge (oft auch fertig entwickelte Eier mit schlüpfbereiten Jungen) zur Welt. Waldeidechsen-Unterarten im warmen Südosteuropa sind hingegen aufgrund ihrer Umgebung nicht auf Lebendgeburten angewiesen und können auch Eier ablegen! Die schönen Zauneidechsen brauchen zur Fortpflanzung sandige, besonnte Bereiche, in denen sie ihre Eier vergraben können, während die bei uns bekannteren Vaihinger Mauereidechsen für die Gelege geschützte Spalte und Löcher z. B. in Trockenmauern nutzen. In beiden Fällen hängt die Zeit bis zum Schlüpfen davon ab, wie warm und trocken es ist.

 

Und jetzt kommen die Ringelnattern ins Spiel, früher unsere bekannteste und überall in Deutschland heimische Schlange, heute wie fast alle Reptilien (und Amphibien) vor allem aufgrund der Landschaftsverödung immer seltener. Die ungiftigen und völlig harmlosen Tiere nutzen eine clevere Methode zur Bebrütung ihrer Eier: wie die Thermometerhühner brauchen sie einen Bruthaufen, den sie allerdings anders als diese nicht selbst errichten können. Sie legen die Eier in kompostierende Substrate und lassen sie von deren natürlicher Wärmeentwicklung und Isolierung ausbrüten. In der unbeeinflussten Natur können das z. B. vermoderndes Totholz sein oder das abgestorbene Schilf vom Vorjahr. Regelrecht angezogen werden die Tiere aber, wenn die Biomasse auf einem größeren Haufen liegt und dadurch stabil anhaltende Wärme und Schutz für ihr Gelege bietet. Solche Biomassehaufen haben viele von uns im Garten – ein gut funktionierender Kompost hat schon manche Ringelnatter ausschlüpfen gesehen! Noch besser eigenen sich aber speziell zusammengesetzte Bruthaufen. Sie bestehen abwechselnd aus mehreren Lagen (Holz-) Häckselgut oder Holzspänen und, ganz wichtig, strohigem Pferdemist und –Einstreu. Abschnitte von Holzstämmen sorgen für Stabilität des Haufens und bieten den Tieren bequeme "Einschlupf-Möglichkeiten". Die Pferdeäpfel haben als Naturprodukt den "Kompoststarter" schon mit dabei und sorgen für zuverlässiges Anspringen und lange Aktivität und damit Wärme – genau das, was die Ringelnattergelege brauchen.

 

Damit ist das Rätsel gelöst – auf der Wiese befindet sich ein Bruthaufen, errichtet von einigen NABU-Aktiven aus dem gehäckselten Wildheckenrückschnitt zweier Vaihinger Gärten und einer Anhängerladung Pferdemist. Die Schlangen müssen ihn jetzt nur noch finden!

Der fertige Bruthaufen      Foto: NABU/U. Schober
Der fertige Bruthaufen Foto: NABU/U. Schober

In der Ausgabe vom 09. 03. hat die VKZ darüber berichtet. Hier gibt es den Artikel zum Download:

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2022_03_09_VKZ_Bruthaufen_im_Horrheimer_
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